Home > Blog > Von der Auszubildenden zur selbstständigen Kanzlei-Stütze

Von der Auszubildenden zur selbstständigen Kanzlei-Stütze

Von der Auszubildenden zur selbstständigen Kanzlei-Stütze

Jacqueline Fürst

Jacqueline Fürst

10. April 2025

5 Min. Lesezeit

Ein ehrlicher Erfahrungsbericht von Jacqueline Fürst – über Zweifel, Digitalisierung, Selbstbestimmung und warum unser Beruf mehr ist als Klischees.

Von der Auszubildenden zur selbstständigen Kanzlei-Stütze – Mein Weg in den Beruf und was ich heute anders machen würde

Ein ehrlicher Erfahrungsbericht von Jacqueline Fürst – über Zweifel, Digitalisierung, Selbstbestimmung und warum unser Beruf mehr ist als Klischees.


1. Wer ich bin – ein kurzer Überblick

Ich heiße Jacqueline Fürst, bin 29 Jahre alt und seit Januar 2025 als selbstständige Rechtsfachwirtin für Rechtsanwälte und Notare tätig. Mein Weg begann mit der Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten, die ich 2019 erfolgreich abschloss. Danach sammelte ich in verschiedenen Kanzleien Erfahrungen – sowohl im anwaltlichen als auch im notariellen Bereich. Beides hat mich fachlich wie persönlich geprägt. Seit Oktober 2023 bin ich geprüfte Rechtsfachwirtin. Im März 2024 startete ich in die nebenberufliche Selbstständigkeit, die ich im Januar 2025 in eine volle Selbstständigkeit überführte.


2. Mein Einstieg: Ausbildung und die ersten Berufsjahre

Ehrlich gesagt: Ich wollte nie in einer Kanzlei arbeiten. Ich hielt den Beruf für trocken, wenig abwechslungsreich – und das Gehalt schien mir auch nicht attraktiv. Nach dem Abitur 2015 kam ein Studium für mich nicht infrage. Ich suchte eine Ausbildung, hatte aber mit meiner schüchternen Art keine leichte Zeit.

Dann kam der Zufall zu Hilfe. Meine Mutter, damals als Zustellerin für ein lokales Postunternehmen unterwegs, stellte den Kontakt zu einer Kanzlei her. Nach einem kurzen Gespräch durfte ich ein bezahltes Praktikum machen – und merkte schnell: Genau das ist mein Ding.

Meine Ausbildung absolvierte ich in einer kleinen Kanzlei bei einer Fachanwältin für Familienrecht. Ich wurde sofort ins kalte Wasser geworfen – was im Nachhinein genau richtig war. Ich lernte Diktate, Rechnungen, Schriftsätze und sogar Klagen zu schreiben. Auch bei der Einführung von beA war ich aktiv dabei. Das Team war klein, der Zusammenhalt stark.

Fachlich fiel mir vieles leicht. Schwieriger war der Umgang mit Mandanten – ich war schüchtern, Gespräche machten mich nervös. Aber ich lernte: Auch zurückhaltende Menschen haben ihren Platz – und können wachsen.

Nach der Ausbildung wechselte ich in ein Anwaltsnotariat. Durch die Berufsschule war ich gut vorbereitet, doch zunächst fühlte ich mich überfordert. Erst in einer anderen Kanzlei wurde mir klar: Nicht das Notariat war das Problem, sondern die Rahmenbedingungen. Dort konnte ich eigenständig arbeiten – und merkte: Ich kann das. Und ich bin gut darin.


3. Zwischen Wachstum und Routine – meine Zeit als Angestellte

Ich wollte mehr – Verantwortung, Mitgestaltung, Fachwissen. Also engagierte ich mich weit über das Übliche hinaus: Ich las beA-Newsletter, überarbeitete Vorlagen, entwickelte Kanzleiabläufe mit, erstellte Tabellen und bildete mich freiwillig weiter. Ich besuchte Seminare – nicht, weil es verlangt wurde, sondern weil es mir wichtig war.

Der Schritt zur Rechtsfachwirtin

Schon in der Ausbildung stand für mich fest: Ich mache die Weiterbildung zur Fachwirtin. Ein Studium kam nicht infrage, aber der Fachwirt war mein Ziel. Im Oktober 2020 begann ich ein Fernstudium – mit Unterstützung meines damaligen Arbeitgebers. Drei Jahre später hielt ich das Zertifikat in den Händen. Ein stolzer Moment.

Herausforderungen im Alltag

Fristen? Mochte ich. Ich war organisiert, erinnerte, koordinierte, kontrollierte – ich liebte diese Klarheit. Schwieriger waren zwischenmenschliche Herausforderungen. Mandanten, die ihren Frust an einem ablassen. Der ständige Balanceakt zwischen Empathie und professioneller Distanz. Ich lernte, Grenzen zu setzen – auch gegenüber "wichtigen" Mandanten. Denn niemand hat das Recht, einen schlecht zu behandeln – unabhängig vom Titel.


4. Der Wendepunkt – Warum ich mich selbstständig gemacht habe

2024 kehrte ich zurück in die Kanzlei, in der alles begonnen hatte. Menschlich top – aber es fehlte an Digitalisierung, moderner Technik, Flexibilität. Ich wollte Homeoffice, mehr Eigenverantwortung, eigene Entscheidungen. Ich wollte gestalten, nicht nur verwalten.

Im März 2024 wagte ich den Schritt in die nebenberufliche Selbstständigkeit. Im Januar 2025 folgte der große Cut: volle Selbstständigkeit. Und ich bereue es nicht.

Heute gestalte ich meinen Alltag frei – ob ein Termin auf der Baustelle oder konzentriertes Arbeiten im Homeoffice. Ich wohne auf dem Land – lange Pendelwege sind Vergangenheit. Das ist für mich Lebensqualität.

Natürlich hatte ich Angst zu scheitern. Die habe ich manchmal immer noch. Aber ich bin motiviert, positiv – und nicht allein. Mein Partner, meine Familie und ein starkes Netzwerk aus Kolleginnen und Kollegen stehen hinter mir. Das gibt mir Sicherheit.


5. Was ich heute anders machen würde – und was ich genauso wieder tun würde

Ich hätte gern früher gewusst, wie oft Menschen ihren Frust ungefiltert abladen – und dass man das nicht persönlich nehmen darf. Auch der Widerstand gegen Digitalisierung in manchen Kanzleien hat mich überrascht.

Heute gestalte ich eigene Vorlagen, z. B. ausfüllbare Formulare für Mandanten. Ich arbeite strukturiert, effizient – und bin überzeugt: Gute Tools machen den Unterschied.

Mein Rat an Kolleginnen und Kollegen:

Lasst euch nicht von alten Klischees aufhalten.

Sucht euch moderne, digital aufgestellte Kanzleien.

Bildet euch weiter – freiwillig und regelmäßig.

Und vor allem: Respektiert euch gegenseitig – unabhängig von der Berufsbezeichnung.

Denn niemand ist „besser“. Gemeinsam geht es leichter.


6. Mein Beruf, mein Weg, mein Warum

Ich liebe diesen Beruf. Er ist vielseitig, herausfordernd und oft überraschend. Ich treffe täglich die unterschiedlichsten Menschen – kein Tag ist wie der andere.

Was mich motiviert?

Der Wandel. Kanzleien werden digitaler, moderner, flexibler. Gehälter verbessern sich. Homeoffice wird zum neuen Standard.

Ich sehe viele, die einfach nur ihren Job gut machen wollen – im Büro oder im Homeoffice. Wir sollten aufhören, uns gegenseitig zu bewerten. Stattdessen sollten wir unsere Stärken bündeln – für ein gutes Miteinander im Team.

Meine Botschaft an alle, die mehr wollen:

Warte nicht, bis dir jemand etwas gibt – geh los und hol es dir. Du bist selbst verantwortlich für deinen beruflichen Weg. Bleib dran, bilde dich weiter, halte dein Wissen aktuell. Und vor allem: Sei stolz auf das, was du leistest.

Denn eines ist sicher: Ohne uns läuft in Kanzleien – wirklich – gar nichts.

 

Mehr Informationen zu Jacqueline Fürst finden Sie hier: https://www.kb-fuerst.de/

Artikel teilen


Jacqueline Fürst

Jacqueline Fürst

Rechtsexperte und Autor bei Gebühren-Portal. Spezialisiert auf Rechtsanwaltsvergütung, Prozesskosten und juristische Fristen.