Was sind Abschlagsrechnungen?
Eine Abschlagsrechnung nach § 8 RVG ermöglicht es Rechtsanwälten, bereits erbrachte Teilleistungen vor Abschluss des Mandats abzurechnen. Anders als der Vorschuss (§ 9 RVG) stellt die Abschlagsrechnung eine echte Rechnung für bereits angefallene Gebühren und Auslagen dar und ist sofort fällig.
Abschlagsrechnungen sind besonders bei langwierigen Verfahren sinnvoll, die sich über mehrere Instanzen oder Jahre erstrecken. Sie verbessern die Liquidität der Kanzlei und reduzieren das Ausfallrisiko bei zahlungsschwachen Mandanten. Wichtig: In der Endabrechnung müssen alle Abschlagsbeträge vollständig angerechnet werden.
Rechtliche Grundlagen: § 8 RVG
§ 8 RVG Abschlagszahlungen und Vorschüsse:
(1) Der Rechtsanwalt kann für die bereits erbrachten Leistungen und entstandenen Auslagen eine Abschlagszahlung in angemessener Höhe verlangen. (2) Die Abschlagszahlung ist auf die Vergütung anzurechnen.
Das bedeutet konkret: Sie dürfen Abschlagsrechnungen für bereits abgeschlossene Verfahrensabschnitte stellen (z.B. nach 1. Instanz), müssen aber in der Schlussrechnung alle Beträge transparent abziehen. Eine doppelte Abrechnung ist ausgeschlossen.
Wann sind Abschlagsrechnungen sinnvoll?
Abschlagsrechnungen eignen sich besonders in folgenden Situationen:
- Mehrstufige Gerichtsverfahren
Nach Abschluss der 1. Instanz, vor Beginn der Berufung oder Revision. So sichern Sie sich die Vergütung für bereits erbrachte Leistungen.
- Langwierige Mandate
Bei Verfahren, die sich über Monate oder Jahre erstrecken (z.B. komplexe Zivilverfahren, Insolvenzmandate). Verhindert große Forderungsausfälle.
- Hohe Gerichts- und Auslagenkosten
Wenn bereits hohe Vorauskosten entstanden sind (Gutachterkosten, Gerichtsgebühren), können Sie diese zeitnah mit abrechnen.
- Zahlungsschwache Mandanten
Bei Mandanten mit unsicherer Zahlungsfähigkeit reduziert eine Abschlagsrechnung das Risiko, auf der Gesamtforderung sitzen zu bleiben.
Wie erstelle ich eine Abschlagsrechnung?
Eine rechtssichere Abschlagsrechnung enthält alle Pflichtangaben einer regulären Rechnung nach § 14 UStG sowie folgende RVG-spezifische Elemente:
- Bezeichnung als 'Abschlagsrechnung'
Kennzeichnen Sie die Rechnung eindeutig als Abschlagsrechnung gem. § 8 RVG, nicht als Schlussrechnung.
- Detaillierte Gebührenaufstellung
Listen Sie alle Gebührenpositionen (z.B. Verfahrensgebühr, Terminsgebühr) mit Streitwert, Gebührensatz und Berechnung auf.
- Auslagen und Auslagenpauschale
Nehmen Sie alle angefallenen Auslagen auf (Porto, Fahrtkosten, Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG).
- Umsatzsteuer separat ausweisen
19% Umsatzsteuer auf Gebühren und Auslagen (soweit nicht umsatzsteuerbefreit), getrennt aufgeführt.
Anrechnung in der Endabrechnung
Die größte Fehlerquelle bei Abschlagsrechnungen: vergessene oder fehlerhafte Anrechnung in der Schlussrechnung. Das kann zu Rückforderungen, Streit mit dem Mandanten und Problemen im Kostenfestsetzungsverfahren führen.
So rechnen Sie Abschlagsrechnungen korrekt an:
| Position | Betrag |
|---|---|
| Gesamtvergütung (Gebühren + Auslagen + MwSt.) | 5.000,00 € |
| ./. Abschlagsrechnung Nr. 1 vom 15.03.2024 | - 2.000,00 € |
| ./. Abschlagsrechnung Nr. 2 vom 10.09.2024 | - 1.500,00 € |
| Restforderung | 1.500,00 € |
Jede Abschlagsrechnung muss mit Datum und Rechnungsnummer einzeln aufgeführt und vom Gesamtbetrag abgezogen werden. Die Restforderung ist der Betrag, der noch offen ist.
Häufige Fehler vermeiden
Diese Fehler sollten Sie unbedingt vermeiden:
- Abschlagsrechnung für noch nicht erbrachte Leistungen
Eine Abschlagsrechnung darf nur für bereits abgeschlossene Teilleistungen gestellt werden, nicht für zukünftige Arbeiten.
- Fehlende oder falsche Anrechnung in der Endabrechnung
Vergessene Abschlagszahlungen führen zu Überzahlungen und Rückforderungen. Dokumentieren Sie alle Abschlagsrechnungen sorgfältig.
- Doppelte Abrechnung von Gebührenpositionen
Achten Sie darauf, dass Gebühren, die bereits in einer Abschlagsrechnung enthalten waren, nicht erneut in der Endabrechnung auftauchen.
- Abschlagsrechnung ohne transparente Gebührenberechnung
Wie bei der Schlussrechnung muss auch die Abschlagsrechnung alle Gebühren nachvollziehbar aufschlüsseln (Streitwert, Gebührensatz, Faktor).
Praxisbeispiel: Abschlagsrechnung im Zivilverfahren
Szenario: Mehrinstanziges Zivilverfahren
Ausgangslage: Sie vertreten einen Mandanten in einem Zivilprozess. Nach erfolgreicher 1. Instanz geht das Verfahren in die Berufung. Der Streitwert beträgt 50.000 Euro.
1. Instanz (abgeschlossen):
- Verfahrensgebühr: 1,3 aus Nr. 3100 VV RVG = 1.613,00 €
- Terminsgebühr: 1,2 aus Nr. 3104 VV RVG = 1.488,00 €
- Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €
- Zwischensumme netto: 3.121,00 €
- zzgl. 19% MwSt.: 592,99 €
- Abschlagsrechnung gesamt: 3.713,99 €
Sie stellen nach Abschluss der 1. Instanz eine Abschlagsrechnung über 3.713,99 € und kennzeichnen diese als "Abschlagsrechnung gem. § 8 RVG für 1. Instanz".
Endabrechnung nach Berufung:
- Verfahrensgebühr 1. Instanz: 1.613,00 €
- Terminsgebühr 1. Instanz: 1.488,00 €
- Verfahrensgebühr 2. Instanz (1,6): 1.984,00 €
- Terminsgebühr 2. Instanz (1,2): 1.488,00 €
- Auslagenpauschale: 20,00 €
- Zwischensumme netto: 6.593,00 €
- zzgl. 19% MwSt.: 1.252,67 €
- Gesamtsumme: 7.845,67 €
- ./. Abschlagsrechnung vom 15.03.2024: - 3.713,99 €
- Restforderung: 4.131,68 €
Durch die Abschlagsrechnung haben Sie die Gebühren der 1. Instanz bereits erhalten und reduzieren Ihr Ausfallrisiko für die 2. Instanz.
Abschlagsrechnungen automatisch anrechnen
Nutzen Sie unseren RVG-Rechner mit automatischer Abschlagsrechnung- Verwaltung. Alle Abschlagsbeträge werden gespeichert und in der Endabrechnung automatisch abgezogen – transparent und revisionssicher.
Zum RVG-RechnerDigitales Abschlagsrechnungs-Management
Unser RVG-Rechner bietet eine vollautomatische Verwaltung von Abschlagsrechnungen:
- Automatische Speicherung
Alle Abschlagsrechnungen werden pro Mandat gespeichert und sind jederzeit einsehbar.
- Automatische Anrechnung in der Endabrechnung
Bei der Schlussrechnung werden alle Abschlagsbeträge automatisch abgezogen – keine manuelle Berechnung mehr nötig.
- Export für Mandantenrechnung und KFA
Erstellen Sie professionelle Word- oder PDF-Rechnungen mit automatisch eingefügten Abschlagspositionen.
- Fehlerprävention
Warnhinweise bei vergessenen oder doppelten Abschlagsrechnungen – für rechtssichere Abrechnungen.
Abschlagsrechnungen im Kostenfestsetzungsverfahren
Auch im Kostenfestsetzungsverfahren müssen Abschlagsrechnungen berücksichtigt werden. Entscheidend ist:
Für den Kostenfestsetzungsantrag (KFA): Geben Sie die Gesamtvergütung an und ziehen Sie alle Abschlagsbeträge ab. Der Gegner/die Staatskasse muss nur die Restforderung erstatten, nicht die bereits gezahlten Abschläge.
Dokumentation: Legen Sie dem KFA Kopien aller Abschlagsrechnungen bei, um die Anrechnung nachzuweisen. Unser RVG-Rechner erstellt automatisch eine vollständige Übersicht aller Abschlagsrechnungen für den KFA.
Zusammenfassung & Best Practices
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
- Abschlagsrechnungen nur für bereits erbrachte Teilleistungen
Stellen Sie Abschlagsrechnungen erst nach Abschluss eines Verfahrensabschnitts.
- Transparente Gebührenaufstellung
Alle Gebühren und Auslagen müssen detailliert aufgeschlüsselt sein.
- Vollständige Anrechnung in der Endabrechnung
Listen Sie alle Abschlagsrechnungen einzeln auf und ziehen Sie diese vom Gesamtbetrag ab.
- Automatisierung nutzen
Verwenden Sie digitale Tools wie unseren RVG-Rechner, um Fehler zu vermeiden und Zeit zu sparen.